Transkript Podcast AN·WEND·BAR
Folge 1: Ready for Europawahl?
Transkript Folge 1 „Ready for Europawahl?“
AN·WEND·BAR, der Praxispodcast. Schön, dass Du wieder reinhörst. Ich begrüße dich ganz herzlich bei AN·WEND·BAR, dem Podcast für Impulse in der außerschulischen Jugendarbeit. Wir laden interessante Personen ein, die uns ihre Expertise zu aktuellen Themen, die euch in der Praxis gerade beschäftigen, zur Verfügung stellen. Für mehr Informationen zum Podcast und zur aktuellen Folge schau vorbei unter www.bezjr.de/podcast. In den Shownotes findest Du außerdem Informationen zum Gast und zu Inhalten dieser Folge. Der Podcast ist ein Angebot des Bezirksjugendrings Schwaben.
LS: Herzlich willkommen zu diesem Podcastauftakt. Mein Name ist Lorenz Semmler, ich bin beim Bezirksjugendring Referent für politische Bildung und ich werde euch heute durch diese allererste Folge unseres brandneuen Podcasts führen. Heute wird es mit Blick auf die bevorstehende Europawahl darum gehen, dass ihr gut vorbereitet zu diesem Thema in eure Praxis gehen könnt. Ihr bekommt Argumente an die Hand, warum es wichtig ist, dass ihr das Thema überhaupt in eurer Arbeit mit jungen Menschen angeht. Wir erklären euch, was ihr Jugendlichen sagen könnt, wenn sie euch fragen, was Europa mit ihnen zu tun hat und warum sie wählen gehen sollten. Denn dieses Mal ist es zum ersten Mal in Bayern möglich, bereits ab sechzehn seine Stimme abzugeben. Dazu haben wir einen ganz besonderen Gast bei uns im Podcast, den ich euch gleich noch vorstelle. Außerdem erfahrt ihr in unserer Kategorie Nachgefragt, wie andere in der Praxis mit diesem Thema umgehen und welche Fragen es bei ihnen aufwirft. Zum Schluss der Sendung erwartet euch noch eine niederschwellig und leicht umzusetzende Methode, die ihr in eurer Arbeit direkt nach dem Anhören anwenden könnt. Dieser Podcast ist ganz Jugendarbeitslike, ein Learning-by-doing-Projekt. Bitte seht uns deshalb nach, dass noch nicht alle Stimmen perfekt abgemischt sind. Wir hoffen aber, dass es sich für euch trotzdem gut anhören lässt und ihr viel für eure Arbeit mitnehmen könnt.
Ich freue mich heute, Dr. Mechthild Roos von der Uni Augsburg zu begrüßen. Sie ist dort wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Politikwissenschaft und vergleichende Systemanalyse für Europa und Nordamerika. Sie hatte einen Gastforschungsauftrag am Max Planck Institut für europäische Rechtsgeschichte und erhielt 2023 den Wissenschaftspreis des Deutschen Bundestags für eine Arbeit, in der sie sich intensiv mit dem EU Parlament auseinandergesetzt hat. Außerdem ist sie Moderatorin beim Bloging Projekt Ideas on Europe, eine Plattform für alle, die sich Gedanken über Europa machen. Mechthild, herzlich willkommen bei uns im Podcast. Als ich mir deinen Lebenslauf angeguckt hab, da hab ich gesehen, dass Du einfach schon sehr lange dich mit Europa auseinandersetzt. Und da kam mir natürlich gleich die Frage, was bringt einen dazu, dass man sich so intensiv mit Europa auseinandersetzt?
MR: Es ist tatsächlich mein Herzensprojekt. Also obwohl ich jetzt hier auf meiner Stelle, auf meiner Habil-Stelle hier Europa eher im Nationenvergleich betrachte, ist es nach wie vor ein absolutes Herzensprojekt und auch, also meine Doktorarbeit war eben zum Europäischen Parlament und das hab ich auch nie so richtig sein lassen können und führe das auch in Forschungsprojekten immer noch weiter. Und ich hab überlegt, auch in Vorbereitung auf dieses Gespräch, wo das wo das herkommt und wo’s angefangen hat und so ganz sicher kann ich’s nicht sagen. Ich weiß, dass ein entscheidender Auslöser eine Woche in Brüssel war, die ich damals im Rahmen meiner Journalismus-Ausbildung gemacht hab während meines Studiums parallel und wo wir in die Institution reingeguckt haben und es mich so fasziniert hat, dieses ja alltagsnahe, unheimlich relevante, aber auch eben grenzüberschreitende, vielsprachige, völlig chaotische, aber ursympathische finde ich, Politikmachen, dass ich mich da irgendwie richtig reinverliebt hab.
Aber letztlich, also es ist es ist nicht der Anfang. Ich glaube, was für mich da eine große Rolle auch spielt, ist einerseits meine Liebe für Sprachen und dann spielt, glaub ich, schon auch eine wichtige Rolle, dass ich aus Weimar komme, also aus einem neuen Bundesland und meine Eltern sehr unter der DDR gelitten haben und uns Kindern auch immer das Gefühl vermittelt haben, was für ein Mehrwert offene Grenzen sind und was für einen Mehrwert eben es ist, nicht sich auf ein Land beschränken zu müssen gezwungenermaßen, sondern da eben ja Möglichkeiten der Entfaltung und der Zusammenarbeit und der friedlichen Zusammenarbeit und so zu haben und das hat, glaube ich, auch viel Boden bereitet einfach. Dann zog sich das so durch. Es gibt Frustrationsmomente mit der EU, ganz, ganz sicher, aber vom Projekt Europa ist das Herz nie weggegangen. Auf meinem Balkon weht eine EU-Fahne tatsächlich.
LS: Cool, ja. Unser Podcast ist ja die Idee, das für Praktiker:innen zu machen und da ist natürlich so eine ganz, ganz spannende Frage, die, denke ich, häufig aufkommt, was hat Europa überhaupt mit mir zu tun? Was würdest Du da drauf antworten?
MR: Also aus dem Bauch raus kommt bei mir sofort die Aussage, ja, hä, du bist doch Europa. Das ist irgendwie so plakativ, aber es stimmt, weil für wen wird denn die Politik gemacht in Brüssel, Straßburg, Luxemburg, in allen Mitgliedstaaten? Das sind die Menschen, die Europa formen und die die EU formen. Im Grunde wäre genauso die Frage, wofür brauche ich Demokratie? Es ist das System, in dem wir leben und uns daran nicht zu beteiligen, hieße sich bereit zu erklären, dass es ohne mich funktioniert, obwohl es mich maximal betrifft, aber das ist natürlich jetzt, ja, vielleicht ’n bisschen abgehoben, aber wenn’s dann darum geht, wo genau hab ich denn was davon, blöd gesagt, Ja. Oh, wo soll ich anfangen? Also ich mein, ja, ein erster ganz klassischer Schritt, den ich da gerne nenne, ist der Blick in den Kühlschrank.Einfach mal oder in die Küche generell einfach mal aufs Essen gucken, auf die Standards, die wir haben und dann angefangen von ich bin…
LS: Du meinst zum Beispiel, Entschuldigung, du meinst zum Beispiel Bio Standards oder irgendwelche Siegel?
MR: Gar nicht nur, also auch klar, die ganzen Siegel, die uns absichern, wenn da Bio draufsteht, dass dann ein gewisses Minimum an Qualität und eben an Kriterien, die erfüllt sein müssen und die überprüft werden, dahinterstecken. Aber dann noch sowas wie das überhaupt draufsteht, was drin ist, was für uns selbstverständlich ist, was für mich zum Beispiel als Allergiekind Mama lebensnotwendig ist, das ist eine EU-Errungenschaft. Das ist was, was es aus was außerhalb der EU keine solche Selbstverständlichkeit ist, selbst wenn da Zutatenlisten draufstehen, sind die oft nicht erschöpfend, sondern es dürfen Sachen weggelassen werden. In der EU ist extrem streng reguliert, was da alles, dass alles draufstehen muss. Was überhaupt die Produktionsstandards angeht, deshalb wurde jetzt eine ganz große Debatte, als Großbritannien aus der EU rausgegangen ist und dann gefeiert hat, dass sie jetzt da endlich frei sind von diesen ganzen Sachen, aber wo eben dann gesagt wurde, ja gut, wenn ihr jetzt neue Handelsdeals wollt, müsst ihr das akzeptieren. Ihr habt jetzt nicht mehr die Standards, die ihr vorher hattet. Euer Essen geht jetzt qualitativ, wenn ihr so frei sein wollt ein Stück runter. Im Demokratischen Rechtsstaat müssen Sachen reguliert werden und ja, manchmal sind da Sachen dabei, bei denen man denkt, um Himmels Willen muss das wirklich sein und musste sich da jemand damit beschäftigen? Aber auch das hat ja einen Sinn, auch das hat ja was zu tun, gerade heute, wo Klimafragen brennen, dass eben Transportgewicht minimiert wird, dass Packungen maximal gefüllt werden können, ja, dass also dass eben Standards geschaffen werden, die ermöglichen, möglichst gute Lebensmittelversorgung in irgendeiner Form zu gewährleisten. Man könnte weitermachen mit allem, was also gerade Jugendliche, da wiederum bin ich dann beim Europäischen Parlament. Das Europäische Parlament ist ein Verfechter von Jugendpolitik auf Europa Ebene sonders gleichen.
Also das hat tatsächlich keine der anderen EU-Institutionen derart stark vorangetrieben. Was Schutz, alle möglichen Schutzregulierungen angeht, wie viel die arbeiten dürfen, wie welches einklagbare Recht es auf Bildung gibt, auf Freizeit gibt, auf Gleichheit, Abbau von Ungleichheit, Abbau von Diskriminierung, Chancen, alles Mögliche an Sicherheit von, also was irgendwelche Schadstoffe angeht und so weiter und so fort. Da passiert so viel und ist seit den Fünfzigern, Sechzigern auf Europaebene passiert, was unser Leben eben deutlich beeinflusst und das ja manifestiert sich dann auch einmal komplett durchs Arbeitsleben. Das Recht auf Urlaubstage, was wir haben, dieses Minimum ist auf EU-Ebene gesetzt, das Recht auf Mutterschutz, Elternzeit, Maximum an Arbeitsstunden, Gleichberechtigung von Teilzeitangestellten und von Vollzeitangestellten, was Weiterbildung und Beförderung angeht. Es gibt so viele. Ja.
Also gerade eben auch im sozialpolitischen Bereich, da kenne ich mich nun mal gut aus, weil das meine Forschung ist, aber die ist eben auch nah an den Menschen. Ganz viele Minimumregeln, die auf EU-Ebene getroffen wurden und die oft tatsächlich nicht nur sozusagen auf einen Nenner gebracht haben, was die Länder sowieso schon hatten, könnte man sagen, dann brauchen wir die EU nicht, sondern die tatsächlich oft darüber hinaus gingen, da ein noch höheres Level gesetzt haben als sogar das Beste im besten Mitgliedsstaat sozusagen oder eben das höchste Level genommen haben und alle anderen hochgezogen. Klappt nicht immer, aber hat oft geklappt und hat dadurch eben die EU zudem sozialpolitisch ja einer doch in der Welt führenden Region gemacht, was natürlich jetzt teilweise sich dann niederschlägt in Schwierigkeiten in Handelsverträgen, wenn wir sagen, ihr müsst euch an unsere Standards halten und dann andere Länder sagen, dann gucken wir lieber woanders. Aber nichtsdestotrotz, für hier Lebende und eben auch die Ambitionen, das weltweit zu etablieren, wahnsinnig wichtiges Element. Ja.
LS: Wir haben im Vorfeld zu unserem Gespräch in einem Jugendzentrum nachgefragt, wie die Jugendlichen dort zu Europa und zur Europawahl stehen. Lass uns doch da mal gemeinsam reinhören.
Barkeeper’s Insights. Wir fragen nach in der Praxis. Yassin Akyüz arbeitet im Donauwörther Jugendcafé und hat mit seinen Jugendlichen darüber gesprochen, wie sie zur EU und Europa stehen und was sie über die Europawahl wissen.
YA: Was Jugendliche so hier im Jugendcafé vor allem jetzt mit der EU assoziieren. Wir leben hier in Deutschland, aber drumherum gibt’s ja noch andere Länder und Europa als Gesamtbild, als Kontinent wurde genannt, Schrägstrich Gruppe. Wir alle zusammen. Von anderen zwei Mädels, die dann gesagt haben, ja, Europa ist für uns Zusammenhalt. Es ist aber auch gleichzeitig eine Heimat für uns, in der wir hier leben. Nicht nur in Deutschland, wir können nach Italien reisen, wir können nach Österreich, wir können aber auch nach Griechenland gehen, Frankreich, nach Spanien und, und, und. Total lustig zu dieser Frage kam: es geht den Pass. Das kam dann von meinen Jugendlichen, die den Weg hierher gefunden haben tatsächlich und wo das Thema natürlich unterm Nagel brennt. Wie sieht’s mit meinem Status aus hier? Bleibe ich? Muss ich irgendwann weiterziehen? Also auch diese Unsicherheit bei Jugendlichen in Europa. Genau, da kamen unterschiedlichste Meinungen. Viele wussten gar nicht, was Europa bedeutet, oder wie sieht die Flagge aus? Die Mehrheit weiß es nicht, dass Europawahlen, dieses Jahr anstehen und ab sechzehn Jahren gewählt werden darf und kann. Ist für mich auch so ein bisschen hui, okay, was wurde bisher kommuniziert? Bewegt, in den Schulen, in Einrichtungen, über die Medien, über Social Media, über die Eltern vor allem. Also auch die selber zu Hause, wird zu Hause überhaupt über Europawahl kommuniziert und so weiter. Da war tatsächlich die größte Überschrift: Nein. Aktuell. Also bei der Mehrheit zumindest. Sind die Jugendlichen an der Europawahl interessiert? Was ist denn eine Europawahl? Was passiert denn in der Europawahl? Und um was geht es denn bei der Europawahl? Alles berechtigte Fragen von den jungen Menschen, ganz klar. Interesse ist auf jeden Fall da. Die Frage ist jetzt halt nur, war bei den Jugendlichen das Thema, okay, Überschrift Europawahl ab sechzehn Jahren, aber es ist aktuell nichts greifbar für sie. Es ploppt aktuell nicht so häufig auf, das haben sie aber auch ein bisschen zurückgemeldet, aber sie haben Interesse.
LS: Jetzt haben wir gehört, wie Jugendliche im Jugendzentrum zur EU und zu Europa stehen und inwieweit sie schon von der Europawahl ab sechzehn gehört haben. Was löst das für Gedanken bei dir aus?
MR: Eine Sache, die mir da doch immer wieder aufgefallen ist oder die, es gibt viele Sachen, zu denen ich gern was sagen würde, aber eine Sache ist so ein bisschen, dass, wenn’s zu Hause nicht besprochen wird, dann gibt’s kein Bewusstsein dafür und das verstehe ich total. Das ist ein Problem. Aber bei Europa möchte ich sagen, hört nicht auf eure Eltern. Als die so alt waren, wie ihr jetzt seid, gab’s nur die Hälfte von dem, was wir jetzt haben. Also das ist ein Prozess, der so Tempo draufhat, wo so viel passiert, weil er einfach noch vor nicht so lang angefangen hat und am Anfang geht’s immer schnell, dass die ihren Eltern viel mehr erzählen könnten, als die Eltern denen erzählen können wahrscheinlich, weil einfach in den letzten zehn, zwanzig, dreißig Jahren wahnsinnig viel passiert ist auf europäischer Ebene. An Vereinheitlichung und an Anhebung von Standards, von Lebensstandards, ne, also diese Freizügigkeit, die auch genannt wurde, der Schengen-Raum, Visa Freiheit, Reisefreiheit, mitnehmen von mobilen Daten, telefonieren können im Ausland, Euro natürlich ist auch noch nicht super alt. Das sind ja alles, das sind alles keine alten Sachen, das ist alles was, was überhaupt erst mal sich richtig tief verankern muss im Bewusstsein, glaube ich und das kann die junge Generation, für die es eine Selbstverständlichkeit ist, vielleicht besser als die Elterngeneration.
LS: Und das würdest Du vielleicht auch im ersten Jugendlichen sagen, also ich hab so ein bisschen im Gespräch mit Jugendlichen rausgehört, dass gerade die sechzehn, siebzehnjährigen Erstwähler:innen, dass die oft sich nicht richtig trauen, sagen irgendwie, ich weiß ja gar nicht, was ich richtig quälen soll und dann wähle ich lieber nix, ich hab keine Ahnung von Politik, dann würdest Du denen sagen…?
MR: Dann würde ich denen ausm Bauch raus sagen, dann wählt umso mehr, denn die Älteren, die wählen, denen geht’s genauso. Also ich mein, ja, da darf man, glaube ich, keinen Illusionen nachhängen, wie viel wissen wir denn alle tatsächlich über das politische System, was wir wählen? Das hat immer seine Grenzen. Das heißt aber nicht, dass unsere Ideen dafür ihre Grenzen haben müssen, sondern nach denen und nach dem, was wir für das System, in dem wir leben haben wollen, nach dem sollten wir wählen. Und dann nicht viel darüber zu wissen, wie das funktioniert, sollte niemanden abhalten. Das ist nicht schlimm. Das finde ich überhaupt nicht schlimm. Das kann man sich aneignen, wenn einen das interessiert. Aber auch das fand ich tatsächlich ein Stück weit, und es ist verständlich, aber ein Stück weit traurig, dass gesagt wurde, wenn der Kontakt zur Politik nicht da ist, dann so ungefähr, dann ist der Kontakt zu Europa auch nicht da. Europa ist doch nicht nur Politik. Mhm. Ich würde wirklich appellieren, egal wie viel wir wissen, gerne so viel aneignen, wie wir können und wie wir Lust haben und gerne viel darüber bilden. Aber Ideen, wie wir leben wollen, haben wir doch alle. Und dann eben zu gucken, wo finde ich die vielleicht in einer Partei wieder?
Welche nehm ich dann? Und da ist, muss man auch sagen, finde ich, die sind die Europawahlen, machen, find ich, fast noch mehr Spaß als die nationalen oder die Länderwahlen, die Landesebenen-Wahlen, weil es da noch einen bunteren Strauß an Parteien gibt. Und die in der Europawahl auch eine realistische Chance haben reinzukommen. Es gibt keine Prozentklausel in Deutschland, in anderen Mitgliedsstaaten schon, aber in Deutschland nicht. Es gibt eine de-facto Prozentklausel, weil wenn man nur drei Stimmen hat, dann reicht das nicht, damit man Abgeordneten schickt. Aber es gibt keine Mindestanzahl an Prozent, die mehr kriegen muss als Partei, da reinzukommen. Und das heißt, dass eben durchaus auch kleinere Parteien, die Expertise in einem ganz konkreten Gebiet haben, es schaffen, ins Europaparlament zu kommen und dann da auch durchaus was zu bewegen. Können. Und ich mein, ein Beispiel ist inzwischen schon fast historisch, aber ein klassisches Beispiel waren die Piraten, die dann in Deutschland natürlich kurz da einmal im Diskurs drin waren und dann noch schnell wieder draußen, aber die es bis heute tatsächlich schaffen oder maßgeblich eben Weichen gesetzt haben, dass Europa ein extrem hohes Level im weltweiten Vergleich an Datensicherheit hat und an Regeln für Internetnutzung und jetzt auch, dass Europa im Moment die Nase vorn hat, was die Regulierung von KI angeht. Da haben die zum Beispiel sich ganz wesentlich beteiligt, das war deren Expertise, da haben die gute Leute reingeschickt, die auf Bundesebene keine Chance gehabt hätten und auch nicht so relevant gewesen wären und deswegen eben wie gesagt auch die kleinen Parteien, auch Parteien, wo Jugendliche vielleicht sagen, oh, die Großen und alle, buh, nicht so meins. In Europa, in der Europawahl ist das nicht schlimm. Es gibt da viele andere Möglichkeiten, Ja. Ja, sich aus dem bunten Strauß was rauszusuchen.
LS: Ja. Hast Du denn abschließend noch ein paar Tipps, wie man die EU als Thema in der Jugendarbeit aufgreifen kann?
MR: Man kann da ganz verschiedene Sachen machen, je nachdem, was für eine Gruppengröße hat, wie oft man sich trifft und so was. Es gibt vom Europäischen Parlament und auch von der Kommission Materialien für Planspiele für Dreizehnjährige, für Vierzehnjährige, für Fünfzehnjährige und so weiter und so fort, immer weiter nach oben, dass man sagen kann, wir setzen uns jetzt hin und spielen einmal, wir machen ein Gesetz. Egal was. Das mache ich tatsächlich in meinen Unikursen auch sehr gern mit den Studis, dass ich sage, wünscht euch was. Sucht euch was aus. Was auch immer, egal. Ja. Völlig freie Utopien und dann einmal das Ganze durchspielen, eben zu sehen, ja warte mal, das läuft eigentlich tatsächlich ziemlich genau so, wie Politik im eigenen Land auch läuft. Einfach von den Prozessen, nur mit bisschen mehr Sprachen, bisschen mehr unterschiedlichen Interessengruppen drin, alles einmal potenziert, aber von den Abläufen ist es extrem ähnlich. Das ist aber natürlich dann vielleicht schon, ja, also es braucht Raum und Zeit und Ruhe.
LS: Ja, ja. Geht’s noch etwas niederschwelliger?
MR: Lass es eine Wahlparty machen. Bisschen gucken, was gibt’s denn so? Wann ist Wahl? Was passiert da? Wenn man möchte, sich drüber unterhalten, wenn man gerne drin hätte oder wenn man nicht gerne drin hätte, Wetten abschließen, wenn man Lust hat und dann sagen wir treffen uns entweder am 9., das ist nun Sonntag, ich weiß nicht, wie viele sich da treffen, aber entweder am 9. Juni selber oder eben bei unserem nächsten Treffen danach und dann machen wir eine Europawahlparty und gucken einmal, was ist rausgekommen? Wer hat wie reagiert? Was gab’s vielleicht für lustige Zwischenfälle irgendwo in irgendeinem Land? Gab’s vielleicht Einflussnahme von außen? Gab’s Versuche, diese Wahl zu gefährden? Was ja auch letztlich das größte Kompliment an unser politisches System ist, was es geben kann, wenn Autokrat:innen und Diktatur*innen das Gefühl haben, sie müssen es unterminieren. Ja. Also da einfach dann mal locker ranzugehen und Pläne entwerfen, Szenarien entwerfen, wer wird jetzt Kommissionspräsidentin?
LS: Dein Tipp wäre da spielerisch einfach dran zu gehen und zu sagen, wir machen vielleicht ein Event daraus in irgendeiner Form.
MR: Für nächstes Mal gucken alle einfach googeln das mal oder gucken mal auf ihren sozialen Netzwerken. Es passiert ja viel auf den sozialen Netzwerken und bringen ein Best of mit irgendwie. Eine besonders lustige Sache, eine besonders bekloppte Wahlkampagne, eine was auch immer, um Barrieren abzubauen, weil ich glaub, wenn die Barriere einmal weg ist und bei sozialen Medien, wenn ich einmal meinem sozialen Medium sage, ne, den Cookies und so weiter, guck mal, ich bin interessiert an Europa, dann kommt halt dann wird die Tür aufgemacht und dann kommen da glaube ich Infos rein.
LS: Mechtild Roos, herzlichen Dank für deine wertvolle Einordnung und deine Praxistipps. Wir hören uns jetzt noch an, was in der außerschulischen Jugendarbeit in Schwaben noch so zur EU geht. Und vielleicht könnt ihr euch ja noch die eine oder andere Idee abgucken.
Barkeepers Insights. Wir fragen nach in der Praxis. Anna Heiland und Ricarda Klinger sind beim KJR Ostallgäu aktiv und erzählen aus ihrer Praxis, was sie in ihrem Landkreis zur Europawahl anbieten.
AH: Bei uns ist die Europawahl natürlich wieder ein riesengroßes Thema. Unser Schwerpunkt liegt da eigentlich jedes Jahr wieder auf der Demokratiebildung und da sehen wir uns natürlich auch in der Pflicht, was zur Europawahl zu machen. Wir machen verschiedene Sachen. Wir haben jetzt wieder Action Bounds entwickelt, also diese digitale Schnitzeljagd für fünf Kommunen bei uns im Landkreis, die letztendlich zeigen sollen, was die EU für uns hier vor Ort macht. Also zum Beispiel eine Frage kann sein, gehe zu dem und dem Supermarkt und schau, was wo findest Du das EU-Bio-Logo und was bedeutet das? Oder ein Thema ist Müllvermeidung. Schaut auf eure Handys, welche Ladekabel haben die? Ah ja, jetzt gibt’s ja die Regelung, man darf da nur noch die gleichen Ladekabel haben. Also so wirklich diese Verbindung Europäische Union und was hat’s mit mir ganz konkret vor Ort zu tun?
Action Bound haben wir halt sehr gewinnbringend da eben erlebt, weil das Digitale verbunden ist mit trotz den einer analogen Gruppe, die das zusammen macht. Und da muss man einfach sagen, das bringt uns viel, weil wir so ein großer Flächenlandkreis sind. Wir können das dann für die einzelnen Orte einmal anlegen und da können die das selber durchführen.
RK: Wir machen für die Erstwähler natürlich ein ansprechendes Paket, weil wir die erreichen möchten. Wählen gehen ist superwichtig. Wir wollen auch zeigen wirklich, was es für einen Unterschied macht, wenn junge Leute ihre Stimme abgeben. Dieses Erstwählerpaket soll einfach mit Infos voll sein, mit Anregungen, wo man wählen gehen kann und hoffen, dass wir da ganz viele junge Ostallgäuer und Ostallgäuerinnen erreichen können, die dann auch wählen gehen.
AH: Wir werden es an unsere Mitgliedsverbände natürlich schicken, die es in ihren Jugendgruppen verbreiten, sodass man’s entweder bei uns holen kann oder vielleicht auch bei dem Delegierten oder Gruppenleiter vor Ort. Und wir werden die Schulen mit einbeziehen, auch da grad die älteren Schüler:innen dann noch mal erreichen zu können. Und wir werden einen Teil einfach auch digital haben, sodass man irgendwie nicht die große Tasche braucht, um alle Infos zu bekommen, sondern dann digital schauen kann. Aber wir werden auch diese Tasche haben für jemand, der es einfach lieber in der Hand hat und so durch die Infos durchblättern mag. Also da wird’s beide Formen geben. Und wir sind ein sehr großer Landkreis, aber ich denk, durch diese digitale Seite und die analoge kriegen wir dann relativ viele Jugendliche erreicht.
Dann werden wir uns beteiligen an dem Projekt Europabus, das ja die bayerische Staatskanzlei macht, die verschiedene Stationen in ganz Bayern anfahren wird und letztendlich potenzielle Wähler:innen erreichen mag. Und da werden wir bei uns im Landkreis in Füssen mit dabei sein und werden mit unserer alkoholfreien Cocktailbar uns mit dazustellen und halt einfach auch noch mal gemeinsam in Diskussionen kommen und über die Wahl sprechen, über Europa sprechen und ganz konkret vor Ort sein und mit Anlaufstelle sein.
RK: Und ergänzen möchten wir diese drei schönen Punkte mit einer Social Media Kampagne. Wir sind ja ganz aktiv auf Instagram und wollen da dann auch so Share Pics zur Verfügung stellen, dass nicht jeder Verein/Verband im Ostallgäu selber sich überlegen muss, wie kann ich meine Jugendlichen für Europa begeistern? Und da werden wir wieder kreativ werden und wollen uns drauf, da was Tolles zu starten.
AH: Uns ist da wichtig zu sagen, dass es in unserer Demokratie auf jeden drauf ankommt und dass man sich trauen muss, Haltung zu zeigen und die demokratischen Werte auch mit seinen Jugendlichen in der Jugendgruppe bespricht. Und da braucht’s sicherlich die Materialien, die einem jemand zur Verfügung stellt, aber zum anderen schon auch die eigene Intention, wirklich ins Thema zu gehen. Und ich find, man braucht da auch gar keine Angst zu haben, irgendwie mit den Jugendlichen zu diskutieren. Die haben oft schon sehr gute Meinungen und es ist eigentlich sehr bereichernd auch für die ganze Gruppe solche Themen mal anzugehen. Von dem her vielleicht einfach auch noch mal der Aufruf: Es kann auch nicht nur überhaupt amtliche funktionieren, nicht nur über Schule, nicht nur über uns im Jugendring oder in der kommunalen Jugendarbeit, sondern letztendlich ist jeder Gruppenleiter irgendwie auch gefragt, wie auch immer das Thema anzusprechen in seiner Gruppe und mit seinen Jugendlichen.
LS: Damit ihr mit etwas ganz Konkreten noch aus diesem Podcast rausgeht, haben wir jetzt noch abschließend unser Praxisrezept der Podcastfolge für euch.
Das Praxisrezept der Folge. Als Praxistipp haben wir für euch ein EU-Pubquiz zur Verfügung gestellt von der Europäischen Kommission. Im Pubquiz könnt ihr mit euren Jugendlichen spielerisch in das Thema Europa einsteigen. Bei einem Pubquiz teilt ihr Jugendliche in unterschiedliche Teams ein, die gegeneinander antreten und versuchen, möglichst viele Punkte für ihr Team zu sammeln. Dazu können Sie in drei Runden Fragen beantworten, wobei eine Auswertung des Zwischenstands nach jeder Runde aufzeigt, wie welches Team aktuell abschneidet. Inhaltlich gehen die Fragen um Themen aus den Kategorien EU-Geschichte, die EU Heute und Erweiterungen und aktuelle Herausforderungen. Das Pubquiz eignet sich für circa fünf bis 30 Personen und richtet sich an Jugendliche ab fünfzehn Jahren. Die reine Spielzeit beträgt 30 Minuten. Und das Beste am Schluss. Alle Materialien inklusive einer Präsentationsdatei bekommt ihr kostenlos auf der Seite der Europäischen Kommission und auf unserer Webseite zum Download zur Verfügung gestellt. Die Links findet ihr in den Shownotes zu dieser Folge. Los geht’s.
Vielen Dank euch fürs Reinhören. Wir hoffen, ihr konntet ganz viel Inspiration, Wissen und Praxistipps für eure Arbeit mitnehmen. Wir freuen uns sehr darüber, wenn ihr uns in der App eures Vertrauens abonniert und euer Feedback hinterlasst. Funktioniert natürlich auch per E-Mail an info@bezjr-schwaben.de. Lasst uns da auch gerne eure Themenwünsche für zukünftige Ausgaben da. Aber jetzt animiert erst mal eure Jugendlichen, zur Europawahl zu gehen und genießt den Sommer. Bis zur nächsten Folge.
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